PM: M*Straße muss endlich umbenannt werden

Pressemitteilung von Decolonize Berlin

Die Klagen gegen die Umbenennung der M*Straße verzögern einen wichtigen politischen Prozess des postkolonialen Umdenkens in Berlin, der bereits seit vielen Jahren von einem breiten Bündnis von Aktivist:innen, zivilgesellschaftlichen Organisationen und Wissenschaftler:innen gefordert wird und längst in vollem Gange ist. Decolonize Berlin e.V. fordert die zügige Änderung des diskriminierenden Namens der M*Straße in Anton-Wilhelm-Amo-Straße.

Im August 2020 hat die Bezirksverordnetenversammlung Mitte von Berlin (BVV) die Umbenennung der M*straße in Anton-Wilhelm-Amo-Straße in einem demokratischen Prozess beschlossen und damit einen wichtigen Schritt zur Entfernung von rassistischen Begriffen im Berliner Stadtraum geleistet.

Seit Anfang der 1990er fordern zahlreiche Schwarze, afrodiasporische und afrikanische Aktivist:innen und Vereine sowie solidarische Organisationen in Berlin und bundesweit, dass der Straßenname mit der diskriminierenden Fremdbezeichnung verschwindet und durch den Namen einer Persönlichkeit des afrikanischen Widerstands gegen Kolonialismus, Rassismus und Versklavung ersetzt wird. Dazu Michael Küppers-Adebisi, Vorstandsmitglied von Decolonize Berlin:  “Das Demokratieverständnis einer Gesellschaft wird durch die Bedürfnisse der Depriviligierten auf die Probe gestellt. Der Humanismus des 21. Jahrhunderts muss diese Perspektiven im öffentlichen Raum sichtbar machen.”

Zahlreiche Forschungen, auch am Institut für Europäische Ethnologie der HU, belegen, dass die vermutlich 1706 erfolgte Benennung der M*-Straße in die Zeit zurückreicht, in der Brandenburg-Preußen direkt am transatlantischen Versklavungshandel beteiligt war. Zu dieser Zeit begann sich in Deutschland das Bild „des unzivilisierten, schmutzigen und zur Arbeit für die weißen Kolonialherren bestimmten Menschen“ zu verfestigen, das der Begriff des M* am Übergang zum wissenschaftlichen Rassismus des 18. Jahrhunderts und seiner Vokabel des N* bereits deutlich transportierte. Der Straßenname steht für jenes kolonialrassistische Menschenbild.

Dazu die Europäische Ethnologin Regina Römhild vom Amo Kollektiv Berlin: “Immer wieder wird die scheinbar historisch belegte ‘Harmlosigkeit’ des Straßennamens und der dazugehörigen Bilderwelt betont – aber eben das bezeugt, wie sehr unser heutiger Alltag von Rassismen durchzogen und geprägt ist, die quasi beiläufig seit der Zeit des Versklavungshandels und des Kolonialismus mitgeführt werden. Es muss uns aber klar sein, dass dieser in Worten und Bildern präsente Alltagsrassismus ein wesentlicher Nährböden für den strukturellen, systematischen Rassismus und auch für Formen rassistischer Gewalt ist, die wir heute endlich auch in unserer längst postkolonialen, postmigrantischen Gesellschaft diskutieren.”

Vor allem weiße Menschen maßen sich an, diese Fremdbezeichnung als „harmlos“ zu bewerten und die Forderung nach einem diskriminierungsfreien öffentlichen Raum als Partikularinteressen zu diffamieren. In dem Partizipationsprozess der Koordinierungsstelle für einen Gesamtstädtischen Aufarbeitungsprozess zu Berlins kolonialer Vergangenheit wurde deutlich, dass Straßenumbenennungen, Gedenktafeln und Interventionen notwendige Instrumente sind, um eine Auseinandersetzung mit kolonialen Kontinuitäten im öffentlichen Raum anzustoßen. Ein breites Bündnis aus Aktivist*innen, Vereinen und Wissenschaftler*innen fordert die Umbenennung der M*Straße ein.

Wir gehen davon aus, dass die Klagen gegen die Umbenennung vom Berliner Verwaltungsgericht abgewiesen werden und die Straßenschilder – fast 3 Jahre nach dem BVV-Beschluss – endlich ausgetauscht werden. Die Notwendigkeit der Umbenennung der M*Straße ist durch die Ausführungsvorschriften des Berliner Straßengesetzes untermauert. Hier heißt es, dass die Beseitigung von Straßennamen „mit Bezug auf den Kolonialismus, sofern die Straßen nach Wegbereitern und Verfechtern von Kolonialismus, Sklaverei und rassistisch-imperialistischen Ideologien oder nach in diesem Zusammenhang stehenden Orten, Sachen, Ereignissen, Organisationen, Symbolen, Begriffen oder ähnlichem benannt wurden“ als Umbenennungsgrund gilt (Ausführungsvorschrift zu § 5 des Berliner Straßengesetzes).

Der neue Namensgeber der Straße, Anton Wilhelm Amo (* ca. 1703, † nach 1753), war einer der ersten bekannten Rechtsgelehrten und Philosophen afrikanischer Herkunft in Deutschland, der sich von den Universitäten Halle, Wittenberg und Jena aus an den Debatten der Aufklärung beteiligte. Nach langer Zeit des Vergessens wird er heute als Aufklärungsphilosoph und als Vordenker des Antirassismus umfassend wiederentdeckt.


Decolonize Berlin e. V.: Der Verein setzt sich für die kritische Auseinandersetzung mit Geschichte und Gegenwart von Kolonialismus und Rassismus, für die Anerkennung und Aufarbeitung kolonialen Unrechts und für eine gesamtgesellschaftliche Dekolonisierung ein. Mitgliedsvereine sind AfricAvenir International e.V., AFROTAK TV cyberNomads, Berliner Entwicklungspolitischer Ratschlag(BER) e.V., FuturAfrik e.V., Glokal e.V., Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD) e.V., Joliba e.V., Korea-Verband e.V., NARUD e.V., Source D’Espoire e.V. und Tanzania Network e.V.

Der Afrika-Rat Berlin Brandenburg e.V. ist ein Netzwerk, eines Interessenszusammenschlusses von Vereinen, Organisationen, Initiativen und Menschen der afrikanischen Diaspora in Berlin und Brandenburg.Der Afrika-Rat ist der erste Dachverband von Menschen afrikanischer Herkunft in Land Berlin und Brandenburg und wurde Ende Mai 2005 von 24 Vereinigungen gegründet.

Das Amo Kollektiv Berlin ist aus der Nachbarschaftsinitiative Anton-Wilhelm-Amo-Straße entstanden und ging vom Institut für Europäische Ethnologie (M*Straße 40/41) und dessen offenem Brief Kein Rassismus vor unserer Haustür aus. Die Initiative hat sich nicht nur die Umbenennung, sondern auch die Förderung einer Diskussionskultur im Geiste Anton Wilhelm Amos zum Ziel gesetzt.

Berlin Postkolonial e.V. setzt sich kritisch mit Berlins Kolonialgeschichte auseinander und bemüht sich um die Offenlegung kolonialrassistischer Denk- und Gesellschaftsstrukturen vor Ort.

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