taz Portrait: AfricAvenir International

Seit zehn Jahren leisten die Kameruner mit dem Berliner Partnerverein Entwicklungszusammenarbeit für die Bundesrepublik Deutschland. Eine längst überfällige Renaissance in der Provinz Europa. taz, 22.03.2011.

Afrika ist eine Steppe mit armen Bauern und wilden Tieren. Es sind Vorurteile wie diese, die in den Tierdokumentationen des Freitagabendprogramms und auf den Werbetafeln deutscher Hilfsorganisationen permanent reproduziert werden. Umso schlimmer ist es, dass sie die öffentliche Wahrnehmung des Kontinents dominieren. "Viele Menschen haben ein extrem eingeschränktes Bild von Afrika. Sie kennen das junge, moderne, urbane Afrikas nicht", sagt Judith Strohm, Geschäftsführerin der deutschen Sektion der Nichtregierungsorganisation AfricAvenir International.

Diesem Problem versuchen die AktivistInnen von AfricAvenir International zu begegnen. Mit ihren Aktionen, die politische Bildung und Kunst in sich vereinen, möchten sie die gesellschaftspolitische Auseinandersetzung mit Afrika in Deutschland fördern und setzen hierfür auf eine kritische und historische Analyse der Strukturen der europäisch-afrikanischen Beziehungen und einen gleichberechtigten gegenseitigen Austausch zwischen Deutschland und Afrika. So sind es vor allem AfrikanerInnen, die auf den Veranstaltungen des Vereins als ReferentInnen zu Wort kommen und ihren Standpunkt vertreten. "Man könnte sagen, dass wir Entwicklungshilfe für Deutschland leisten", erklärte Strohm.

Die Organisation AfricAvenir, was auf Deutsch "Afrikas Zukunft" bedeutet, wurde vor 25 Jahren in Kamerun von Prinz Kum’a Ndumbe III. gegründet. In der Hafenstadt Douala errichtete Ndumbe ein afrikanisches Kulturzentrum, das einen Beitrag zur Wiederherstellung und Wiederaufwertung afrikanischer Zivilisationen, Kulturen und Geschichte leisten sollte. Auch während seiner mehr als 10-jährigen Lehrtätigkeit als Professor am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin setzte er sich für die Rehabilitierung der afrikanischen Kulturen und für eine gleichberechtigte und auf mehr gegenseitigen Respekt beruhende Beziehung zwischen Afrika und Europa ein. Vor elf Jahren gründeten StudentInnen Ndumbes die deutsche Sektion von AfricAvenir mit dem Ziel, die Arbeit ihres Professors weiterzuführen. Inzwischen zählt der Verein 80 Mitglieder.

Drei Merkmale zeichnen die Arbeit AfricAvenirs aus: Zunächst einmal orientieren sich ihre vielfältigen Aktionen an aktuellen Ereignissen in den Ländern des afrikanischen Kontinents. Um die Abschaffung des transatlantischen Sklavenhandels 1808 zu würdigen, lud der Verein 2008 gemeinsam mit der Werkstatt der Kulturen unter dem Titel "200 Jahre später …" zu einer Veranstaltungsreihe nach Berlin. In Vorträgen, Workshops, Filmen, Konzerten und Performances wurde der erfolgreiche Widerstand der AfrikanerInnen gegen eines der größten Menschheitsverbrechen thematisiert und gewürdigt. 2009 und 2010 waren die Themenschwerpunkte "Afrika im Zweiten Weltkrieg" und eine kritische Bilanz von 50 Jahren afrikanischer Unabhängigkeit. "Die Fokussierung auf ein Jahresthema ermöglicht es uns, verschiedene Facetten zu behandeln und in die Tiefe zu gehen", erklärte Eric Van Grasdorff, seinerseits ehrenamtlicher erster Vereinsvorsitzender.

Der zweite wesentliche Aspekt ist der kreative Zugang zu den Themenschwerpunkten. Zum aktuellen Thema "Soziale Bewegungen in Afrika", organisiert AfricAvenir unter anderem eine Filmreihe, in deren Rahmen auch der Film "Microphone" des ägyptischen Regisseurs Ahmad Abdallah gezeigt wird, der sich um die Hiphop- und Skaterszene Alexandrias dreht und ein Porträt der ägyptischen Jugend zeichnet, die ihre Forderungen nach Freiheit und Demokratie zunehmend lautstark vertritt. In der Galerie Listros, in der sich auch das Büro des Vereins befindet, werden zudem im Juni die Arbeiten junger afrikanischer KünstlerInnen ausgestellt werden, die das Weltsozialforum in Dakar mit Videokamera und Fotoapparat begleitet haben. "Die Kombination von Politik und Kunst ist eines unserer Markenzeichen", berichtete Van Grasdorff.

Das letzte wichtige "Markenzeichen" ist die kritische Haltung des Vereins gegenüber einseitigen, oft eurozentrischen Perspektiven. Vor dem Hintergrund des derzeit in Hamburg stattfindenden "Piratenprozesses" gegen zehn somalische Staatsbürger lädt AfricAvenir am 20. April zu einer Diskussionsveranstaltung zum Thema "Piraten an Somalias Küste – Schrecken der Meere oder neue (inoffizielle) Küstenwache?" in die Listros-Galerie. Dort soll unter anderem darauf eingegangen werden, dass sich die Fischbestände und die Wasserqualität vor der Küste Somalias erholt haben, seitdem die Piraten dort als eine fragliche Art inoffizieller Küstenwache agieren.

Wer Lust bekommen hat, sich in der Gruppe zu engagieren, kann das in vielfältiger Weise tun: Von Öffentlichkeitsarbeit und Buchhaltung über die Betreuung von Gästen aus Afrika bis hin zu Übersetzungen ist vieles möglich. "Je nach Fähigkeit und Interesse sind wie für alles offen", sagte Van Grasdorff.

Von LUKAS DUBRO

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Veranstaltung:
"Piraten" an Somalias Küste – Schrecken der Meere oder neue (inoffizielle) Küstenwache?
Mittwoch, 20. April, 19 Uhr
Galerie Listros,
Kurfürstenstr. 33, 10785 Berlin

Buch:
"50 Jahre afrikanische Un-Abhängigkeiten – Eine (selbst-)kritische Bilanz". Intellektuelle und Aktivist/Innen, DichterInnen, PerformerInnen und SchriftstellerInnen geben einen Einblick in die aktuellen Debatten um Unabhängigkeit und Dekolonisierung in Afrika.

Im Netz: www.africavenir.org

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