Kooperation: Afrika-Konferenz: 130 Jahre Berlinisierung eines Kontinents und Einübung ins Verbrechen

Nach dem Ballhaus Naunynstraße und der "Lern- und Erinnerungsort Afrikanisches Viertel (LEO-AV) Initiative der Volkshochschule Wedding, greift nun auch die Volksbühne den 130. Jahrestag der sog. Berliner Afrika Konferenz auf und veranstaltet eine beeindruckend besetzte kommemorative "Afrika Konferenz" mit Vorträgen, Installationen, Performances, Filmen, Poetry Slams und einem Abschlusskonzert. Unter dem Titel "130 Jahre Berlinisierung eines Kontinents und Einübung ins Verbrechen", u.a. mit: Kwesi Aikins, Bernard Akoi-Jackson, Martin Baer, Andrew Botelle, Nikolaj Cyon, Christian Etongo, FOKN Bois, Zoe Hagen, Julian Heun, Wolf Hogekamp, Sulaiman Masomi, Philip Metz, Fatima Moumouni, Wanjiku Mwaurah, Prince Kum´a Ndumbe III., Markus Öhrn, Göran Hugo Olsson, Rosa Amelia Plumelle-Uribe, Benedict Koyo Quaya alias Sir Black, Laza Razanajatovo, Ramata Sore, Temye Tesfu, Jürgen Zimmerer

2015 jährt sich die Berliner Afrika-Konferenz zum 130. Mal. Auf Einladung des deutschen Reichskanzlers Bismarck tagten von November 1884 bis Februar 1885 Vertreter europäischer Staaten, der USA und des osmanischen Reiches und komplettierten – in Abwesenheit afrikanischer Repräsentanten – mit der sogenannten ‚Kongoakte‘ die Aufteilung Afrikas in Kolonien. Die mit dem Hauptziel Versklavungshandel bereits im 16. Jh. initiierte Okkupation vor allem der Küstenstreifen, an der auch Brandenburg-Preußen beteiligt war, mündete nun in die nahezu vollständige Annexion und Ausbeutung des Kontinents. Deutschland selbst beanspruchte fortan – militärisch durch sogenannte Schutztruppen sekundiert – Kolonien in Ost- und Westafrika; unter anderem Gebiete in den heutigen Ländern Togo, Kamerun, Namibia, Tansania, Burundi und Ruanda. Die damals in der Alten Reichskanzlei – gelegen zwischen Potsdamer Platz und Brandenburger Tor – und in den Folgejahren am Reißbrett der Europäer festgelegten Grenzen sind bis in unsere Gegenwart gültig. Die Berlinisierung eines Kontinents, der in Afrika auch von Deutschen vollzogene Massenmord an der indigenen Bevölkerung (bspw. durch den Genozid an den Herero und Nama in Namibia oder im Maji-Maji-Krieg in Tansania) markiert nicht nur den Auftakt für die Völkermorde des 20. Jahrhunderts. Bis heute und über die Unabhängigkeit der afrikanischen Ländern hinaus, wirken die in der Kolonialmetropole Berlin getroffenen Entscheidungen nach; bspw. durch die Wertabschöpfung lokaler Reichtümer und Arbeitskräfte durch transatlantische Konzerne, oft gerahmt durch politische Assoziationsverträge. Unter anderem angesichts der Flüchtlinge, die tausendfach im Mittelmeer und vor der westlichen Wohlstandsgrenze sterben, ist das in der Hauptstadt Deutschlands aktuell kultivierte Selbstbild, moralischer und politischer Taktgeber der Festung Europas und seiner Peripherie zu sein, doppelbödig. Scheint in dem offenbar immer stärker werdenden ‚German Empire‘ der ‚weiße Retter‘ gar wie ein gespenstischer Wiedergänger der Vergangenheit durch? Die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz versucht am 28. Februar 2015 im ganzen Haus des Theaters eine künstlerisch-wissenschaftliche Annäherung an die Verwicklung Deutschlands in den Kolonialismus.   

Eingeladen sind renommierte Wissenschaftler und Publizisten (u.a. Prince Kum´a Ndumbe III., Kamerun; Jürgen Zimmerer, Deutschland; Rosa Amelia Plumelle-Uribe, Frankreich, und Kwesi Aikins, Deutschland). Ab 16 Uhr halten sie Vorträge und diskutieren zentral die Kontinuität des Kolonialismus bis ins 20. Jahrhundert und unsere Gegenwart hinein. Parallel und im Anschluss zu dem Diskussionsteil wird das ganze Haus durch Künstler bespielt. Christian Etongo aus Kamerun und Bernard Akoi-Jackson entwickeln Performances mit dem Blickwinkel von Afrika aus auf die Kolonialmetropole Berlin. Der Berliner Künstler Philip Metz dokumentiert in seiner Arbeit die erste ‚Akquise‘ einer deutschen Kolonie und den 1683 initiierten Bau einer Sklavenfestung durch den Kurfürsten von Brandenburg an der sogenannten Goldküste – heute Ghana. Nikolaj Cyon hat eine künstlerische und hypothetische Karte entworfen, wie der Kontinent Afrika ohne das Reißbrett der Berliner Konferenz aussehen könnte. Der Regisseur Laza aus Madagaskar bringt einen Animations- und Dokumentarfilm zur Uraufführung und Markus Öhrn aus Schweden zeigt im 3. Stock die Deutschlandpremiere der Installation „Bergman in Uganda“. Auf einem Spoken Word Festival begegnen sich afrikanische Poeten wie Wanjiku Mwaurah aus Kenia und Benedict Koyo Quaya alias Sir Black aus Ghana; zusammen mit ihren deutschen Kollegen Temye Tesfu, Sulaiman Masomi, Fatima Moumouni und Zoe Hagen tragen sie Texte in den verschiedensten Muttersprachen vor. Über den gesamten Tag hinweg werden Filme gezeigt, unter anderem „Concerning Violence“ von Göran Hugo Olsson, „Das koloniale Missverständnis“ von Jean-Marie Teno, „Eine Kopfjagd“ von Martin Baer und als Preview „Waterberg to Waterberg – In the Footsteps of Samuel Maharero“ von Andrew Botelle. Den Thementag beenden mit ihrem Konzert im Großen Haus die FOKN Bois aus Ghana, die anschließend auch zur Party im Roten Salon laden.

Zeitplan (vorläufig)
Kassenhalle / Parkettfoyer / Sternfoyer

15.00 – 24.00
Skulptur: von Philip Metz „Le herós invisible“ vor dem Portal der Volksbühne und Installation: von Philip Metz „Adler Afrika“ in der Kassenhalle

Filmloop: Regie Martin Baer „Befreien Sie Afrika!“ im Parkettfoyer

ab 16.00 KAMERUNISCHE KÜCHE u.a. „Mafé“ „Alokos“ „Makalas“ im Sternfoyer, zubereitet von Marilou Eken
 
Großes Haus
16.00 Vortrag: Rosa Amelia Plumelle-Uribe „Von der Vernichtung der Nichtweißen zur Vernichtung der Nichtarier“ (auf Französisch mit Simultanübersetzung)

16.30 Filmpremiere: Regie Laza Razanajatovo „Fasa“

16.45 Vortrag: Prince Kum‘ a Ndumbe III. „Macht, Ausbeutung, Neugestaltung des internationalen Kräfteverhältnisses und die Gefährdung des Weltfriedens“ (auf Deutsch)

17.30 Podiumsgespräch mit: Prince Kum‘ a Ndumbe III., Rosa Amelia Plumelle-Uribe, Ramata Sore, Jürgen Zimmerer. Moderation: Kwesi Aikins  „De|Berlinisierung und De|Kolonisierung Afrikas und Europas in der Kolonialmetropole Berlin“ (Deutsch und Französisch mit Simultanübersetzung)

19.15 Film Preview: Regie Andrew Botelle „Waterberg to Waterberg – In the Footsteps of Samuel Maharero“ (62min)

20.30 Spoken Word mit: Zoe Hagen, Sulaiman Masomi, Fatima Moumouni, Wanjiku Mwaurah, Benedict Koyo Quaya alias Sir Black, Temye Tesfu. Moderation: Wolf Hogekamp und Julian Heun „Eine afrikanische und deutsche Poetry Slam Show”

22.00 Konzert: FOKN Bois (feat. DJ Stefanie Alisch)

Hinterbühne
16.15 Film: Regie Jean Marie Téno „Das koloniale Missverständnis“ (75min)n18.00 Performance: von Bernard Akoi-Jackson “Walking[s], Staging[s] [an] eventual Sharing[s]”n18:30 Film: Regie Martin Baer „Kopfjagd“ (44min); anschließendes Gespräch mit dem Regisseurn20.00 Film: Regie Göran Hugo Olsson „Concerning Violence“(85min)
 
3. Stock Installation
16.00 / 18.00 / 20.00 Filminstallation Markus Öhrn „Bergman in Uganda"n Roter Salon
19.00 Forum Gedenkmarschn22.00 Performance: von Christian Etongo “After Tears”n23.30 Party mit den DJ´s der FOKN Bois

Wir verweisen solidarisch auf den 9. Gedenkmarsch zur Erinnerung an die afrikanischen Opfer von Sklavenhandel, Sklaverei, Kolonialismus und rassistischer Gewalt, der am 28. Februar 2015 ab 11 Uhr stattfindet. Ein Forum des Gedenkmarsches findet im Roten Salon statt.

Tickets für die gesamte Afrika-Konferenz kosten 13,- Euro bzw. 11,- Euro (ermäßigt).

Kokuratoren: Sebastian Kaiser, Bernard Akoi-Jackson
Wissenschaftliches Konzept und Gesamtberatung: Kwesi Aikins
Film: Alexandra Engel, Michael Busch
Musik: Christian Morin
Dramaturgie: Thilo Fischer
Assistenz: Julian von Hammerstein

Gefördert im Fonds TURN der Kulturstiftung des Bundes und mit Unterstützung der Goethe Institute in Ghana und Kamerun sowie der Schwedischen Botschaft. In Kooperation mit AfricAvenir e.V., Foundation For Contemporary Art Ghana und Rencontres du Film Court Madagascar

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